Gewerbliches Mietrecht: Dem gesetzlichen Schriftformerfordernis kann auch dadurch genügt werden, dass über einen Mietvertrag mehrere gleichlautende Urkunden aufgenommen werden und jede Partei die für die andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnet. Eines Zugangs dieser Urkunden beim jeweiligen Vertragspartner bedarf es insoweit nicht. Dies lässt sogar einen Faxaustausch der jeweils einseitig unterzeichneten Mietvertragsurkunden zu.
In einer vielbeachteten Entscheidung hat der BGH jüngst seine „Theorie der äußeren Form“ weiterentwickelt. So hatte der BGH bereits im Jahr 2010 entschieden, dass ein Mietvertrag der gesetzlichen Schriftform entspricht, wenn beide Parteien die Mietvertragsurkunde zwar unterzeichnet haben, der Vertrag aber aufgrund von einer zu langen zwischen beiden Unterschriften liegenden Zeitspanne nicht wirksam zustande gekommen war. Obwohl damit der Vertragsschluss erst zu einem späteren Zeitpunkt durch schlüssiges Verhalten (hier durch die Übernahme der Mieträume) und damit nach der Unterzeichnung der Mietvertragsurkunde geschlossen worden war, besteht nach der Auffassung des BGH dennoch ein schriftformgemäßer Mietvertrag, da sich die Absprachen zwischen den Parteien aus einem „äußerlich“ der gesetzlichen Schriftform entsprechenden Dokument entnehmen lassen.
Diese Entscheidung führt der BGH jetzt konsequent fort. Ausreichend für die Einhaltung der gesetzlichen Schriftform ist auch danach, dass der Vertragsinhalt verschriftlicht worden ist. Sofern die Vertragsparteien nicht sämtlich auf einer Urkunde unterzeichnen, ist dies der Fall, wenn gleichlautende, aber jeweils nur von einer Partei unterzeichnete Mietvertragsausfertigungen vorliegen. Erforderlich ist nur, dass alle Parteien eine gleichlautende Urkunde unterzeichnet haben. Ein Zugang der einseitig unterzeichneten Urkunden bei der oder den jeweils anderen Vertragspartei(en) ist nicht erforderlich. Auf diese Weise soll es – so der BGH – dem durch das Schriftformerfordernis geschützten Erwerber möglich sein, Kenntnis vom Vertragsinhalt zu erlangen.
Was ergibt sich hieraus für die Praxis? Zum einen führt die Rechtsprechung sicherlich zu einer Erleichterung, wenn der Mietvertragsabschluss einmal schnell gehen muss und die Parteien sich nicht an einem Ort befinden. Es ist aus unserer Sicht sehr empfehlenswert, in der Urkunde klarzustellen, dass die Unterzeichnung der Urkunde durch einseitig unterzeichnete Urkunden vorgenommen werden soll. Auch sollte darauf geachtet werden, dass diese Urkunden vollständig ausgetauscht werden. Wenn auch nicht für die Schriftform erforderlich, so kommt der Vertrag erst zustande, wenn dieser Austausch erfolgt ist. Außerdem kann der schriftformgemäße Vertragsschluss trotz dieser „Erleichterung“ auch zukünftig nur gerichtsfest belegt werden, wenn zwei (bei mehr als zwei Vertragsparteien sämtliche) einseitig unterzeichnete Vertragsurkunden vorgelegt werden können.
Um das Ergebnis etwas greifbarer zu machen, bietet sich folgende Faustformel an. Die Schriftform ist gewahrt, wenn sich ein Erwerber über den Vertragsinhalt informieren kann. Hierfür reicht es aus, wenn schriftlich abgefasste Erklärungen der Parteien existieren. Die Wirksamkeit des Vertrags ist für die Schriftform ohne Bedeutung.
Autor: Dr. Thilo Franke, M.A. – tf@kfr.law
Fundstelle: BGH, Urt. v. 7. März 2018 – VIII ZR 129/16 (NJW 2018, 1540)
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