Grundstücksrecht: Notarielle Beurkundungsbedürftigkeit von Änderungen eines Grundstückskaufvertrages nach der Auflassung (OLG Stuttgart)

Das OLG Stuttgart hat entschieden, dass Änderungen eines Grundstücksübertragungsvertrages auch dann gemäß § 311 b Abs. 1 S. 1 BGB der notariellen Beurkundung bedürfen, wenn der Änderungsvertrag nach Auflassung, aber noch vor Eigentumsumschreibung geschlossen wird. Dies soll jedenfalls dann gelten, wenn die Vertragsparteien im ursprünglichen Vertrag die Auflassung erklären und der Erwerber die Eintragung des Eigentumswechsels in das Grundbuch beantragt, die Parteien den Notar aber anweisen, eine die Auflassungserklärung enthaltende beglaubigte Abschrift oder Ausfertigung der Urkunde erst zu erteilen, wenn ihm die Zahlung des geschuldeten Kaufpreises nachgewiesen worden ist.

Damit wendet sich das OLG Stuttgart gegen die ständige Rechtsprechung des BGH, dass derartige Änderungen formlos erfolgen können und nicht beurkundungspflichtig sind.

Im Einzelnen:

Der BGH ist in derartigen Fällen bisher davon ausgegangen, dass eine Formbedürftigkeit nicht besteht und hat sich diesbezüglich der Rechtsprechung des Reichsgerichts angeschlossen, da er Gründe für eine Abkehr von dieser Rechtsentwicklung nicht erkennen konnte. Insbesondere lasse sich weder aus der Vorgängervorschrift § 313 S. 2 BGB die zeitliche Grenze der Beurkundungsbedürftigkeit zwingend entnehmen, noch habe die Änderung des § 313 BGB durch Gesetz vom 30.5.1973 einen Grund zur Änderung der Senatsrechtsprechung geliefert. Dies sieht das OLG Stuttgart jedoch anders und wendet sich damit ausdrücklich gegen die ständige Rechtsprechung des BGH:

Das OLG Stuttgart stützt seine Argumentation u.a. auf den Wortlaut des § 311 b Abs. 1 BGB, der keine Hinweise darauf enthalte, dass Änderungen eines Vertrages, der eine Pflicht zur Übertragung oder zum Erwerb eines Grundstücks enthalte, von dem Formerfordernis der notariellen Beurkundung ausgenommen sei, wenn sie vor der Eintragung in das Grundbuch aber nach der Auflassung erfolgten.

Auch die Systematik des § 311 b Abs. 1 BGB spreche gegen derartige Formerleichterungen, da ein ohne Beachtung des Formerfordernisses geschlossener Vertrag erst dann gültig werde, wenn die Auflassung und die Eintragung in das Grundbuch erfolgten.

Zudem habe die Gesetzesänderung 1973 zum Ziel gehabt, den Erwerber ebenso wie den Veräußerer zu schützen. Dieses Schutzbedürfnis könne aber nicht erreicht werden, wenn nachträgliche Änderungen vor Eigentumsumschreibung formfrei möglich sein sollen. Schließlich seien die Beweisfunktion, sowie die Warn- und Schutzfunktion ebenso im Zeitraum zwischen Auflassung und Eintragung der Eigentumsänderung relevant.

Auch ziehe das Argument des BGH, die Verpflichtung zur Eigentumsübertragung sei mit der Auflassungserklärung erfüllt, nicht, wenn dem Notar die Anweisung erteilt wurde, eine Abschrift oder Ausfertigung der Urkunde erst zu erteilen, wenn ihm die Kaufpreiszahlung nachgewiesen sei. Faktisch würde der Notar schließlich im Fall einer formlosen Kaufpreisreduzierung die Unterlagen dann nicht an das Grundbuchamt weiterleiten, wenn der Erwerber eine nach der Auflassung erfolgte, nicht notariell beurkundete Kaufpreisreduzierung behauptet, der Veräußerer diese nachträgliche Vereinbarung jedoch in Abrede stellt.

Ob weitere Gerichte sich diese Entscheidung zum Vorbild nehmen und somit von der Rechtsprechung des BGH abkehren, bleibt abzuwarten, ebenso ob der BGH diese Entscheidung zum Anlass nimmt, seine bisherige Rechtsprechung nochmals zu überdenken. In der Zwischenzeit jedenfalls sollten Änderungen im Zeitraum zwischen Auflassungserklärung und Eintragung der Eigentumsänderung vorsorglich notariell beurkundet werden.

Autor:  Anneke Focken – af@kfr.law

Fundstelle:      OLG Stuttgart, Urteil vom 26.09.2017 – 10 U 140/16 (BeckRS 2017, 139536)

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