Viertes Bürokratieentlastungsgesetz – Wegfall der Schriftform – Einführung der Textform für langfristige Gewerbemietverträge

Das Ende des Schriftformerfordernisses für Gewerbemietverträge?

Das Bundesministerium für Justiz hat am 11. Januar 2024 den Referentenentwurf eines Vierten Gesetzes zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger, der Wirtschaft sowie der Verwaltung von Bürokratie veröffentlicht (Viertes Bürokratieentlastungsgesetz). Dort war zunächst noch vorgesehen, dass das Schriftformerfordernis für Gewerbemietverträge vollständig entfällt.

Die Bundesregierung hat mittlerweile einen Entwurf des Vierten Bürokratieentlastungsgesetzes eingebracht. Dieser sieht nunmehr für Gewerbemietverträge vor, dass die Textform gewahrt werden muss.

Was regelt der Gesetzesentwurf?

In dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung ist in Art. 15 Ziffer 7 zunächst weiterhin vorgesehen, dass der Verweis in § 578 BGB auf § 550 BGB entfällt. Entgegen des im Januar 2024 veröffentlichen Referentenentwurfes ist aber nunmehr vorgesehen, dass § 550 BGB mit der Maßgabe anzuwenden ist, dass ein Mietvertrag, der für längere Zeit als ein Jahr nicht in Textform geschlossen wird, für unbestimmte Zeit gilt.

Diese Regelung bedeutet, dass langfristige Mietverträge (also solche mit einer längeren Laufzeit als 1 Jahr) sowie etwaige nachträgliche Vereinbarung hierzu dann nicht mehr tatsächlich von beiden Vertragsparteien im Original unterschrieben werden müssten, sondern, dass zum Beispiel auch der Austausch von unterzeichneten Scanfassungen oder sogar die Vereinbarung per E-Mail oder SMS möglich wäre.

Für bestehende Mietverträge soll es eine Übergangsregelung von 12 Monaten geben.

Ziele des Vierten Bürokratieentlastungsgesetzes:

Wie der Name es schon vermuten lässt, soll das Vierte Bürokratieentlastungsgesetz die Bürgerinnen und Bürger, aber auch die Wirtschaft und Verwaltung, von unnötiger Bürokratie entlasten, die Abläufe vereinfachen und verschlanken und damit auch die Erreichung der Ziele der UN-Agenda 2030 für eine nachhaltige Entwicklung fördern. Hierzu soll auch ein digitaler Wandel, bspw. durch Verzicht bzw. die Absenkung von Formerfordernissen im Zivilrecht, gefördert werden.

Außerdem wird erwartet, dass sich die Schriftformkündigungen der Vertragsparteien durch die Herabstufung des Schriftformerfordernisses auf Textform reduzieren; dem Informations- und Dokumentationsbedürfnis eines Erwerbers soll auch durch die Textform ausreichend nachgekommen werden.

Derzeitige Rechtslage:

Das Bürgerliche Gesetzbuch sieht aktuell gemäß §§ 578, 550, 126 BGB vor, dass Gewerbemietverträge schriftlich abgeschlossen werden müssen, wenn sie für einen längeren Zeitraum als 1 Jahr vereinbart werden sollen. Schriftlich im diesem Sinne bedeutet, dass der Mietvertrag tatsächlich vom Mieter und Vermieter unterschrieben werden muss. Gleiches gilt auch für nachträgliche wesentliche Änderungen. Ferner ist es erforderlich, dass sich alle wesentlichen Absprachen zwischen den Parteien aus einer Urkunde ergeben. Wird die Schriftform nicht eingehalten, so kann der Mietvertrag von jeder Partei ordentlich gekündigt werden, da der Mietvertrag dann als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen gilt.

Warum gibt es das Schriftformerfordernis?

Primärer Sinn und Zweck des Schriftformerfordernisses ist der Schutz des Erwerbers einer vermieteten Immobilie.

Das Gesetz sieht in § 566 Abs. 1 BGB vor, dass der Erwerber einer vermieteten Immobilie in die Rechte und Pflichten des Mietvertrages eintritt. Der Käufer einer Immobilie soll sich also durch die Vorschrift, dass langfristige Mietverträge schriftlich abgeschlossen werden müssen, genau darüber informieren können, in welche vertraglichen Mietvertragsverpflichtungen er eintritt. Wenn der Inhalt des Mietvertrages bzw. etwaige Zusatzvereinbarungen hierzu nicht schriftlich geschlossen wurden und ein Erwerber daher keine umfassende Kenntnis von den Rechten und Pflichten, in die er eintreten soll, erlangen konnte, wird ihm die Möglichkeit eingeräumt, sich von dem Mietvertrag zu lösen. Diese Möglichkeit steht aber nicht nur ausschließlich dem Erwerber einer vermieteten Immobilie zu, sondern auch den Ursprungsparteien des Mietvertrages. Daneben kommt dem Schriftformerfordernis des § 550 BGB noch eine Klarstellungs-, Beweis- und Warnfunktion im Hinblick auf die Mietvertragsparteien zu.

Tatsächliche Entlastung durch das Vierte Bürokratieentlastungsgesetz?

Ob das Vierte Bürokratieentlastungsgesetz tatsächlich die erhoffte Erleichterung der Bürgerinnen und Bürger sowie die Reduzierung von Schriftformkündigungen der Vertragsparteien mit sich bringt, bleibt abzuwarten.

Sicherlich ist zu begrüßen, dass es Mietvertragsparteien nunmehr möglich ist, auf schnellerem Wege langfristige Mietverträge oder deren Änderungen abzuschließen.

Fraglich bleibt insoweit aber, ob die entwickelten Kriterien zur Einhaltung der Schriftform, die über die bloße eigenhändige Unterschrift der Parteien hinausgeht, auch auf die zukünftig geltenden Textform Anwendung finden wird. Sollte dies der Fall sein, besteht u.U. auch trotz des Textformerfordernisses die Möglichkeit für die Vertragsparteien, sich von einem ungeliebten langfristigen Mietvertrag vorzeitig zu lösen.

Für einen Erwerber dürfte der Wegfall des Schriftformerfordernisses sicherlich zu mehr Prüfungsaufwand bei einem Ankauf führen. Für die Erfassung der mietvertraglichen Absprachen der Parteien müssten dann zukünftig die gesamten Mieterakten/Mieterkorrespondenz auf etwaige Absprachen zum Mietvertrag durchgesehen und geprüft werden. Dies führt zu Mehrkosten bei der Ankaufsprüfung. Gleichzeitig besteht aber die ständige Unsicherheit, ob tatsächlich alle Absprachen zum Mietvertrag in der Mieterakte/Korrespondenz erfasst wurden.

Ausblick für die Praxis

Auch für den Fall, dass das Schriftformerfordernis für Gewerbemietverträge auf die Textform reduziert werden sollte, empfiehlt es sich in der Praxis, weiterhin alle Regelungen zum Mietverhältnis in Verträgen bzw. Nachträgen festzuhalten und deren Bindung durch (Scan-) Unterschriften der Parteien zu dokumentieren. Nur so lässt sich beweisbar sicherstellen, was Bestandteil des Mietvertrages sein soll. Dies gilt insbesondere im Falle eines Verkaufes, aber auch bei einer (gerichtlichen) Auseinandersetzung zwischen den Parteien.

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